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Vereinbarkeit für Väter? Ein steiniger Weg

«Als was für ein Vater will ich meinen Kindern in Erinnerung bleiben?», hat sich Niklaus Gafner gefragt – und die Konsequenzen gezogen. Heute verhilft er anderen Vätern zu mehr Vereinbarkeit und gleichberechtigter Elternschaft.

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Vater hält Baby in der Hand. Vereinbarkeit ist für Väter schwierig - ein Mann erzählt.

Ich bin Vater von zwei Jungs, 7 und 10 Jahre alt. Ich bin auch Ehemann, Maschinenbauingenieur, Lösungsorientierter Coach, Hobbybastler und Mann.

Mir ist die Zeit mit meinen Kindern sehr wichtig. Ich möchte so viel wie möglich mit ihnen erleben und für sie da sein. Aber das ist für Männer nach wie vor ein steiniger Weg. An die ungläubigen Blicke meines Umfelds, als ich das Pensum nach der Geburt meines ersten Sohnes reduzieren wollte, erinnere ich mich noch heute. Unverständlich, dass ein MANN die Karriere und den Job nicht an erster Stelle sieht. Dabei ist es doch Sache des Mannes, für die Familie zu sorgen!

Ich war standhaft und von meinem Wunsch nicht abzubringen. Ich arbeitete 80 Prozent, meine Frau 60 Prozent. Für mich war es selbstverständlich, dass ich auch einen Teil der Hausarbeit und der nächtlichen Versorgung übernahm.

Das Wort ‘Papi-Tag’ gefällt mir gar nicht.

Ich bin nicht nur an diesem einen Tag Papi, sondern jeden Tag, und damit für alles mitverantwortlich.

Nach der Geburt meines zweiten Sohnes reduzierte meine Frau auf 40 Prozent. Dann bekam ich die Chance für einen Karrieresprung. Grossartige Stelle, viel Verantwortung, guter Lohn. Diese Chance musste ich nutzen. So schnappte die Falle zu – und wir fielen in ein traditionelles Rollenmuster. Der Lohn und das Ansehen waren zu verlockend.

Zu Gunsten meines Jobs pausierte meine Frau, um mir den Rücken «freizuhalten». Nun erfüllten wir das traditionelle Familienbild und ich erhielt auf Grund meiner Stellung viele Komplimente. Meine Frau fand sich in der Rolle der «Hausfrau», die sie eigentlich nie sein wollte. Trotzdem liessen wir uns auf dieses Abenteuer ein. Ohne es auszuprobieren, weiss man schliesslich nicht, wie es wirklich ist.

Aber bald merkte ich, wie die Beziehung zu meinen Söhnen litt.

Wenn sie etwas brauchten, riefen sie immer öfters nur nach der Mutter. Viele kleine Entwicklungsschritte erfuhr ich über Erzählungen und Videos. Zudem wurde meine Frau unglücklicher und von mir abhängig. Das erhöhte den Druck auf mich enorm.

So sehr ich mich auch anstrengte, neben einem 100-Prozent-Pensum konnte ich nicht die Bezugsperson sein, die ich sein wollte. Ich wollte für meine Kinder ein Vorbild sein, für sie da sein, sie unterstützen und Teil ihres Lebens sein. Auch die Beziehung zu meiner Frau wollte ich nicht ruinieren.

Ich gab alles und noch mehr, um allem gerecht zu werden – und scheiterte.

Es wurde mir alles zu viel und ich konnte weder meinen Job noch meine Rolle als Vater oder Mann ausfüllen. Meine eigenen Bedürfnisse konnte ich kaum mehr spüren. Als mir das klar wurde, verloren die Gründe an Bedeutung, die zuvor für den super Job gesprochen hatten.

Denn was nützt Ansehen, wenn man sich schlecht fühlt? Was nützt mehr Lohn, wenn man die Zeit nicht geniessen kann? Was nützen die Komplimente, wenn man nicht glücklich ist mit der Situation?

Auf gegenseitiges Einverständnis beendete ich das Arbeitsverhältnis und war eine Zeit lang arbeitslos. Diese Zeit nutzte ich, um meine Prioritäten zu ordnen, und versprach mir, meiner Frau und meinen Söhnen, von nun an mehr Gewicht auf die für mich wichtigen Dinge im Leben zu legen. Ich fing eine Ausbildung zum systemisch lösungsorientierten Coach an und fand eine Stelle, bei der ich in einem 70-Prozent-Pensum arbeiten konnte.

Eine 70-Prozent-Stelle? Für einen Mann ist das nach wie vor sehr schwierig, je nach Branche fast unmöglich.

Ja, und die Blicke in der Runde, wenn ich erzähle, dass ich «nur» 70 Prozent arbeite, sind immer noch oft ungläubig. Obwohl inzwischen einige bewundernde Blicke dazukamen.

Ich frage mich, wieso sich nicht mehr Männer für eine Teilzeitstelle einsetzen und eine aktive Rolle in der Kinderbegleitung übernehmen möchten. Wie oft höre ich den Satz «Bei meinem Job geht das nicht» oder «Mein Chef will das nicht». Für mich sind das meistens Ausreden. Die Frauen und Mütter haben so hart gekämpft, dass sie nun verschiedene Möglichkeiten offen haben (auch hier gibt es noch deutliches Verbesserungspotential).

Die Emanzipation der Väter steckt noch in den Kinderschuhen.

Wenn sich die Frauen von einem «geht halt nicht» hätten aufhalten lassen, wären sie nicht da, wo sie heute sind. Damit Familie in der heutigen Zeit funktionieren kann, braucht es in einer heteronormativen Familie Mutter und Vater. Die Vaterrolle wurde lange Zeit vernachlässigt. Zum Glück wird die Wichtigkeit immer mehr bekannt.

Auch die Mütter würden deutlich profitieren, wenn beide Bereiche, Familie und Beruf, auf beide Elternteile gleichberechtigt verteilt werden könnten.

Inzwischen bin ich Väter-Coach und begleite Väter auf ihrem Weg. Viele wollen mehr am Leben der Kinder teilhaben, haben aber ihren Weg durch den Dschungel der verschiedenen Ansprüche noch nicht gefunden.

Die folgenden Denkanstösse gebe ich Vätern in meinen Beratungen häufig mit auf den Weg

1. Als was für ein Vater will ich meinen Kindern in Erinnerung bleiben?

Hilfreich ist, sich am Anfang die Frage zu stellen, was die Kinder in 10 Jahren über dich als Vater erzählen sollen. Sind es Rückmeldungen wie «er hat viel gearbeitet», «er hat nie mit uns gespielt» oder «es musste immer aufgeräumt werden, wenn er heimkam»? Oder soll es in Richtung von «er hat sich oft für mich Zeit genommen», «er hat mir viel gezeigt und erklärt», «er war viel für mich da» gehen? Die ehrliche Beantwortung dieser Frage kann ein Wegweiser sein, in welche Richtung man sich weiterentwickeln möchte.

2. Wie kann ich als Vater mit meinen Kindern in Beziehung gehen?

Oft wissen Väter gar nicht so genau, wie sie einen guten Bezug zu den Kindern herstellen können. Väter sind oft in der «Eventrolle», das heisst, mit dem Papa läuft immer was, aber wenn man Hilfe braucht, ruft das Kind nach der Mutter. Das muss nicht sein! Ich rate den Vätern, den Kindern zuzuhören, was sie zu erzählen haben. Sich ohne Wertung auf sie einzulassen und sich die Welt der Kinder zeigen zu lassen. Das schafft eine Verbindung und kann gegenseitiges Verständnis wecken.

3. Fokus auf das Gute in der Vaterschaft

Ebenfalls sehr gerne gebe ich Vätern folgende Aufgabe: sich für eine Zeit lang jeden Abend drei Dinge aufschreiben, welche am Tag zusammen mit den Kindern gut oder bereichernd gewesen sind. Dies hilft, den Fokus nicht zu verlieren und auf dem für sich selbst richtigen Weg zu bleiben.

4. Ärger gehört dazu, eigene Grenzen sind wichtig

Und natürlich erkläre ich immer wieder, dass es normal ist, dass die Kinder zwischendurch nerven, dass es passieren kann, das geschimpft und geschrien wird. Wichtig ist, dass nachher mit den Kindern alles geklärt werden kann. Gespräche mit den Kindern sind sowieso sehr wichtig für die Beziehung zueinander. Und auch ein engagierter Papa muss auf seine Bedürfnisse schauen und seine Grenzen aufzeigen.

Heute: Ja, es geht.

Meine Frau hat inzwischen ihr Pensum deutlich erhöht und arbeitet nun zu 60 Prozent in einer Führungsfunktion. Ja, es geht!

Wir haben es geschafft, in dieser ganzen Zeit den Bezug zueinander nicht zu verlieren, Entscheidungen gemeinsam zu fällen und waren gleichberechtigte Partner. So haben wir manchen elterlichen Strudel gemeinsam überstanden und konnten unser System immer wieder überprüfen und anpassen.

Meine Frau ist systemische Beraterin und gemeinsam bieten wir Workshops zu verschiedenen Themen für Eltern an. Inhalte wie Gleichberechtigung, ein Elternteam werden oder Elternschaft auf Augenhöhe sind sehr gefragt, denn es braucht von beiden Elternteilen Offenheit und den Willen, etwas zu verändern.

Ich habe einen Traum.

Falls meine Söhne Väter werden, soll es für sie keine Rolle spielen, ob sie als Vater oder die Mutter für die Kinder sorgt (oder der andere Vater, je nach Familienform). Beide Elternteile sollen die gleichen Möglichkeiten haben, bei der Arbeit und bei der Betreuung der Kinder.

Und hoffentlich gibt es dann genügend Vatervorbilder, die eine Orientierung vereinfachen, und Strukturen, die das zulassen.

Autorin

Niklaus Gafner ist Vater von zwei Jungs und teilt mit seiner Ehepartnerin das Management der Familie. Er ist ausgebildeter Ingenieur im Bereich Maschinenbau und Umwelttechnik. Durch seine Erfahrung als Projektleiter mit Führungsfunktion im Teilzeitpensum kennt er die Herausforderung, Job, Familie und Hobbys unter einen Hut zu bringen. Als Systemisch-Lösungsorientierter Coach (ZiS) unterstützt und berät er Menschen im Familien- und Berufsumfeld. Unter anderem bietet er ein Vätercoaching an.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 20. Dezember 2022 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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3 Antworten

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  1. Avatar von Andi
    Andi

    Gut gemacht!
    Aber ein paar Fragen bleiben doch. Die ursprüngliche Verteilung 80/60. Ist doch irgendwie genau das, was moderne (und bezüglich der freien Wahl der Stellenprozente allenfalls auch privilegierte) Eltern heute vereinbaren. Wobei 80 Prozent für den Mann das Minimum ist, 60 Prozent für die Frau eher das Maximum, und immer ist es die Frau, die dann doch mehr zu Hause ist. Irgendwie bleibt sie doch immer erste Bezugsperson.
    Dann kommt das zweite Kind, und die Mutter reduziert auf 40 Prozent, wie so viele Mütter heute. Aber wir sprechen nicht davon, dass der Mann ihr (und das wird meistens auch so erwartet und gewünscht) ermöglicht, die ersten Jahr mit den Kindern zu verbringen. Sondern sie ermöglicht ihm damit, Vollzeit berufstätig zu sein, “hält ihm den Rücken frei”, opfert sich quasi für die Familie auf. Und dabei geht ganz vergessen, dass vielleicht der Mann tatsächlich auch gerne etwas mehr Zeit mit den Kindern verbringen würde, er aber der Mutter den Vortritt lässt. Und brav wieder aufstockt.
    Ich glaube zudem nicht, dass es für einen Vater nur mit Teilzeitarbeit möglich ist, ein gutes, intensives Verhältnis zu den Kindern zu haben (und umgekehrt). Ich kenne ganz viele Beispiele, wo es anders läuft. Gerade wenn die Kinder im Schulalter sind.

    1. Avatar von Anja Knabenhans
      Anja Knabenhans

      Da sprichst du etwas sehr Wichtiges an: Dass Väter sich auch äussern dürfen, wie viel Zeit sie mit den Kindern möchten. Wie viel von der Care-Arbeit sie bewusst übernehmen wollen. Dass nicht automatisch einfach sie im Erwerbsleben aufstocken müssen. Es braucht einen Dialog, wo beide Elternteile Bedürfnisse äussern und man dann gemeinsam eine praktikable Lösung findet.

  2. Avatar von Christine
    Christine

    So ein schöner Artikel. Ich bin überzeugt, dass weitere Fortschritte im Thema Gleichberechtigung über das Involvement der Väter gehen. Möge es noch vielen Paaren gelingen, ihr System laufend zu reflektieren und auszutarieren. Es ist ein laufender Prozess und setzt voraus, dass man als Paar in Kontakt bleibt.