Seit dieser Woche geistert der Hashtag #tradwife nun auch in den Schweizer Medien herum. Gerade hier, wo Sexismus und Ungleichheit oft unter dem Adjektiv “traditionell” abgetan werden, könnte er vielleicht sogar Erfolg haben. Hoffentlich nicht.
Aber Moment: Was ist eine #tradwife?
Der Bund und der Tagesanzeiger haben darüber berichtet, wie die Britin Alena Kate Pettitt den Begriff der “Traditional Housewife” geprägt hat und zu ihrem Verständnis der guten Mutter und unterwürfigen Ehefrau mittlerweile sogar Kurse gibt.

“Traditional Housewives” sind Frauen, die ihre Lebensaufgabe in der Fürsorge für ihre Kinder und im Haushalt sehen und darin das Idealbild der Frau sehen. Insbesondere leben sie eine sehr klassische Rollenverteilung, in der sie sich ihrem Ehemann gewollt unterordnen und Fürsorglichkeit mit “echter” Weiblichkeit gleichgesetzt wird.
Am Beispiel von Alena Kate Pettitt bedeutet das auch, dass sie ihr Eheversprechen darin versteht, ihrem Mann zu gehorchen und sich von ihm finanziell abhängig zu machen. Schon immer wollte sie Hausfrau sein, sagt sie, heute sei sie stolz auf ihr Leben und freue sich über Fussmassagen und Geschenke von ihrem Partner.
Gleichzeitig betont sie aber auch, dass ihr Lebensentwurf nicht der einzig gültige sein müsse und sie keineswegs finde, dass Frauen generell zurück an den Herd gehörten. Diese Rhetorik gehöre der Alt-Right-Bewegung, stellt sie im englischen Frühstücksfernsehen klar.
Dort, rechts aussen, ist zum Beispiel Lillian Sediles zu finden, die sich als “postmodern Mom” bezeichnet und vom Hashtag #tradwife ebenfalls rege Gebrauch macht. Sie propagiert denn nicht nur ihr Bild der “guten” Mutter, sondern äussert sich auch gegen Abtreibung, LGBTQ-Rechte und Feminismus.
Very good description of the differences between stay at home mothers and outside-the-home working/career mothers.
This should make it obvious: children benefit greatly from a stay at home mum.#Tradwife #sahm pic.twitter.com/C3CBVJhGWw
— Lillian🤰🏻The Postmodern Mom (@postmodern_mum) January 29, 2020
Soll frau sich jetzt über die Tradwives aufregen?
Kurz: Nein.
Das, was unter dem Begriff #tradwife zusammengefasst wird, ist ein sehr breites Feld mit ganz vielen Schattierungen – von der Frau, die Bilder von sich bei der Hausarbeit auf Insta postet, bis hin zu bedenklichen, neonazistischen Vorstellungen einer freiwillig devoten, sich aufopfernden Mutter.
Das Ganze als ernst zu nehmenden Trend oder gar Bewegung zu verstehen, geht aber zu weit – viel mehr entsteht ein Medienhype, der sich mit provokativen und vermeintlich antifeministischen Aussagen Klickzahlen und Mommywars erhofft.
Oder anders gesagt: Die Erde wird nun auch nicht flacher, weil ein paar Flatearthers daran glauben – und genauso wenig gefährden Tradwives den Weg zur Gleichstellung. Solange keine sich einen Masterplan ausdenkt, um die Gesellschaft zu “revolutionieren”, so wie in Margaret Atwood’s “The Handmaid’s Tale” – können wir ruhig bleiben. Oder im besten Falle die immer noch hochaktuelle Diskussion darüber weiter führen, was denn eine “gute” Mutter sein soll.

Im Falle von Sediles – einer sprühenden Quelle von Intoleranz und Hatespeech – ist es wahrscheinlich am effektivsten, sie komplett zu ignorieren und ihr keine Plattform zu geben. Auch auf der anderen Seite des Spektrums, bei den viel gemässigteren Lebensentwürfen dieser traditionellen Hausfrauen, mag es naheliegend erscheinen, sie des Verrats am Feminismus zu bezichtigen oder sie zumindest mit vehementem Kopfschütteln abzustrafen.
Das bringt aber nichts, im Gegenteil. Obwohl das Rollenverständnis, das den Mann zum Herrn des Hauses macht, natürlich Feminismus im Rückwärtsgang bedeutet, würde eine breite Diskussion darüber oder gar ein feministischer Aufschrei dem Patriarchat wohl genauso in die Hände spielen.
Damit schürten wir bloss das Feuer, das uns Frauen wieder gegeneinander ankämpfen lässt. Und auch wenn #tradwife ein Mütterbild verkörpert, das so komplementär zu unserem hier auf Any Working Mom steht, würde eine Kampfansage nur bedeuten, dass wir gleichzeitig einen anderen wichtigen Hashtag links liegen lassen, nämlich #Sisterhood.
Das Ausspielen der Hausfrau gegen die Working Mom
Vielleicht nehmen wir auch einfach zur Kenntnis, dass ein Aspekt des trendy Hashtags der Wunsch nach Anerkennung ist. Der berechtigte Stolz, für die eigene Familie zu sorgen, und der Wunsch, dass diese Arbeit auch gesehen wird. Eine Wertschätzung für Care Work und Mental Load, die heute noch nicht mehrheitsfähig ist und die durchaus bemerkenswert ist.
Aus den Reaktionen auf den Hashtag #tradwife und auf die Artikel darüber lässt sich auch herauslesen, dass das Schubladendenken “Hausfrau” versus “Working Mom” durchaus immer noch in den Köpfen verhaftet ist.
Viele Hausfrauen – Stay-at-Home-Moms oder SAHMs – berichten uns, dass sie sich regelmässig für ihre Entscheidung rechtfertigen müssen, auch wenn sie mit den Tradwives nichts gemeinsam haben und durchaus in einer modernen Partnerschaft leben. Wer nicht erwerbstätig ist, wer kein “Geld” verdient, sich von seinem Partner abhängig macht, tut in einer Gesellschaft, die Geld mit Wert gleichsetzt, “nichts”. Kein Wunder, drückt das nicht selten auf den Selbstwert.
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So STOLZ und freudig bin ich @jansenontour, dass AWM-Teilhaberin @rebeccakrausse uns @anyworkingmom morgen Montag Abend bei der @annabelle_mag Soirée zu “unserem” Thema MYTHOS VEREINBARKEIT vertreten wird. . Als Frau mit einer Karriere, die sich nach der Geburt ihres Sohnes freiwillig und sehr bewusst für die Stay-At-Home Variante entschieden hat, muss sie sich oft erklären, beinahe schon rechtfertigen. Ein Umstand, den sie (und wir anderen zwei) nicht verstehen können – hat sie doch in dieser Zeit Skills gelernt, die sie als Person und auch beruflich weiterbringen werden. Und überhaupt: warum sollte über eine persönliche Entscheidung von Fremden geurteilt werden? Darüber diskutieren, das soll natürlich möglich sein – und genau das passiert morgen Abend (wir werden berichten, @madamekiwi ist vor Ort 😉) . Das “Any” in @anyworkingmom steht und stand schon immer für “Jede” – wir möchten den (imaginären? Konstruierten?) Graben zwischen erwerbstätigen und zu Hause arbeitenden Müttern endlich schliessen und den gegenseitigen Respekt fördern und gemeinsam nach Vorne streben. Umso mehr freut es uns, dass Rebecca morgen Abend ihre Meinung vertreten darf. . Die Soiréé ist leider ausverkauft – letzte Tickets werden auf der Insta-Seite der @annabelle_mag verlost. Und im Link in der Bio könnt ihr noch das tolle Video zum Event “Mythos Vereinbarkeit” angucken 👆. . #annabellesoiree #mythosvereinbarkeit #proudmama
Gleichzeitig erfahren Mütter, die ihren Beruf auch nach der Geburt ihrer Kinder ausser Haus weiterverfolgen (ob sie das wollen oder aus finanziellen Gründen müssen), eine ähnliche Stigmatisierung. Dem traditionellen Bild der guten Mutter entsprechen sie nicht, in den Köpfen haben sie es meistens trotzdem. Und auch das drückt aufs Ego. Recht machen kann man es also sowieso nie.
Ändern wird sich das erst, wenn Betreuungsarbeit als Teil der Wirtschaft begriffen wird. Wenn wir unseren Mindset so ändern, dass es nicht mehr als “Aufgabe” oder “Rückschritt” verstanden wird, wenn jemand Care Work priorisiert, aber es auch nicht infrage stellen, wenn die eigene Berufung woanders liegt als in der Familie.
Im Wissen, dass unser heutiges Verständnis einer traditionellen Familie erst im 19. Jahrhundert während der Industrialisierung entstanden ist, und Familie vorher anders gelebt wurde, ist eine Veränderung nur eine Frage der Zeit.
#Tradwives – Ein Rückschritt?
Die Tradwives werden die Gleichstellung sicher nicht vorantreiben, aufhalten werden sie sie noch weniger. Nur dann, wenn wir ein anderes Rollenverständnis als Provokation verstehen und uns auf einen Kampf auf einem Nebenschauplatz einlassen. Dann gibt es wieder gut und böse, richtig und falsch, die guten und die schlechten Mütter. Dann bleiben wir stehen.
Den eigenen Mindset zu ändern, bedeutet auch, andere Ansichten wahr- und ernst zu nehmen, auch wenn sie den eigenen widersprechen. Die #tradwives kann man also zur Kenntnis nehmen, die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erkennen versuchen und vielleicht sogar noch den einen oder anderen Tipp mitnehmen (denn ja, auch Feministinnen gletten vielleicht mal ein Hemmli oder kochen ein Znacht).
Let’s agree to disagree, dear #tradwives, ohne, dass wir uns gegeneinander ausspielen lassen. You do you.
Und wir machen weiter an der Front, an der sich das Kämpfen lohnt. Den Hashtag dafür gibt es ja auch bereits: #equalparenting.
Sybille
Danke für diesen differenzierten Artikel.
Und, da du ja grad in den Staaten weilst, ein Buchtipp zum Thema Feminism, Sisterhood, Motherhood: Fight like a girl by Clementine Ford.
Liebe Grüsse Sybille
sybille
und kleiner Nachtrag: SAHM ist auch eine Klassenfrage.
Christina
Gönnen wir es doch Frau Pettitt. Die Mehrzahl der Frauen, welche zuhause bleibt, bekommt vom Mann keine Chanel Tasche, sondern Budgetdiskussionen. Und damit führen Sie die gleichen Diskussionen wie die Working Mom.
Anna
Diese #Tradwives, sind ja eher ein Social Media Marketing Tool um dann eben ein eigenes Business aufzubauen. Webseite mit Koch und Haushaltstipps, Evt eigens Buch veröffentlichen und besten falls nich eigene Produkte zum Verkauf an bieten. Das hat dann nicht mehr viel zu tun mit #tradwives.
Daniel
Endlich mal ein vernünftiger Artikel
zum Thema. Jeder muss so glücklich werden, wie er oder sie das möchte, und wer das mit Hass auf Andersdenkende verknüpft entlarvt sich selbst. Ich halte die Behauptung, es gäbe ein “Patriarchat” für einen ebensolchen Unfug, unterstellt es doch, dass jeder Mann Frauen unterdrückt, wenn sie sich nicht wehren. Ich würde eine so unterwürfige Frau aber gar nicht wollen, weil es auch meinen Vorstellungen von einer Partnerschaft nicht entspricht.
Andrea Jansen
Hi Daniel. Der Begriff “Patriarchat” unterstellt nicht, dass jeder Mann Frauen unterdrückt. Er steht für ein “System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird.” Man spricht also vom System, vom Überbau, nicht von den einzelnen Männern, die wir übrigens in den meisten Fällen sehr mögen. Trotzdem ist das Patriarchat real und etwas, wogegen wir uns hier bei Any Working Mom wehren, auch für alle Männer, die nämlich ebenso darunter leider wie die Frauen.
Kristina
Ich verstehe nicht den Tumult darüber. Ist doch jedem selbst überlassen, wie die Familienkonstellation gehalten wird. Ich finde es auch ehrlich gesagt schade, wenn eine Frau sich für das “Traditionelle” 50er Jahre Zusammenspiel entscheidet, sich auf einen Shitstorm gefasst machen muss. Abgesehen davon denke ich, könnte das der Gleichstellung von Mann und Frau doch gut tun. Denn heutzutage Alleinverdiener zu sein, egal wer letztlich arbeitet, ist kaum mehr möglich. DAS ist das, was sich wirklich ändern sollte. Damit JEDER für SICH und SEINE Familie FREI entscheiden kann, wie es jeder haben möchte.