«Alles schien perfekt. Bis die Schwiegermutter die Bühne betrat.»
Heftige Konflikte mit der Schwiegermutter – nur ein Klischee? Nein. Ein Erfahrungsbericht.
Als ich meinen jetzigen Mann zum ersten Mal traf, war ich hin und weg. Ich war gerade mal 20 Jahre alt und hatte eigentlich so gar keine Lust auf eine Beziehung. Doch dieser eine Abend veränderte alles und ich musste einfach mit ihm zusammen sein. Wir verbrachten jeden Tag miteinander, gingen aus, genossen unsere Nähe und Liebe. Alles schien perfekt. Und das war es auch lange – bis die Schwiegermutter die Bühne betrat.
Ich habe seine Mutter erst sehr spät kennengelernt, so zirka nach einem Jahr unseres Zusammenseins. Er hatte mir von Anfang an immer wieder Fotos von ihr gezeigt und viel von ihr erzählt. Ich habe mir nichts dabei gedacht, dass sie so präsent in seinem Leben war. Zwar fand ich es irgendwie merkwürdig, dass er täglich mit ihr telefonierte. Aber trotzdem sah ich nichts Schlimmes dabei, zumal er ja ein Einzelkind ist und dieses Verhalten mit einer «gesunden Beziehung» begründete.
Das späte persönliche Zusammentreffen mit seiner Mutter haben wir beide hinausgezögert.
Er, weil ihm die Meinung seiner Mutter so wichtig war und er sich ganz sicher sein wollte. Und ich, weil ich ihren Stellenwert in seinem Leben kannte und anfänglich etwas Respekt vor der Begegnung hatte.
Ein Sohn in Abhängigkeit seiner Mutter
Als ich meine Schwiegermutter dann kennenlernte, fand ich sie wirklich toll. Sie war lustig, unterhaltsam und einfach nett. Ich bewunderte sie auch für ihre Vergangenheit. Sie hat ihren Sohn gegen alle Widrigkeiten alleine grossgezogen, hat für ihn gekämpft wie eine Löwin und sich dabei völlig in den Hintergrund gestellt. Man merkte, dass das pure Leben die beiden zusammengeschweisst hatte.
Was mir dann zugegebenermassen doch komisch vorkam, war, dass sie alles für ihn erledigt hat: Sie putzte regelmässig seine Wohnung, kochte für ihn und erledigte alle administrativen Dinge. Er war mit seinen 28 Jahren, als ich ihn kennengelernt hatte, zwar erwachsen, aber in erster Linie ihr Sohn. Er hat mir zwar von Anfang an erzählt, dass sie ihn in manchen Bereichen unterstütze. Da wir aber beide 100 Prozent und zu unterschiedlichen Zeiten arbeiteten, wurde mir das Ausmass dieser Unterstützung erst spät bewusst.
Ich habe ihm dann gezeigt, wie er alle administrativen Dinge auch alleine erledigen kann. So gingen immer mehr und mehr Arbeiten von ihr ab und ihr Sohn wurde zunehmend selbständiger. Zuerst dachte ich, dass das doch auch entlastend für sie wäre, doch da habe ich zum ersten Mal Spannungen gespürt.
Es wurde zwar nie ausgesprochen, doch ich habe damit etwas in Gang gesetzt, für das ich noch bitter bezahlen sollte.
Richtig klar wurde es dann, als sie sich bei meinem Mann über mich beschwerte und meinte, dass ich beispielsweise nicht gut für ihn sorgen würde. Wohlgemerkt arbeiteten wir beide zu 100 Prozent und ich besetzte eine anspruchsvolle Position. Die Arbeiten zu Hause hatten wir uns aufgeteilt, doch natürlich gab es keinen abendlichen Braten auf dem Tisch. Wie unverschämt von mir, dass wir meist zusammen kochten oder ich nach zehn Stunden Arbeit auch mal was Schnelles zubereitete!
Mein Mann konterte ihr jeweils und liess sie wissen, dass ich ja nicht seine Mutter sei. Trotzdem wurden meine ehefraulichen Pflichten laufend und argwöhnisch beobachtet und geprüft. Zu dieser Zeit konnten wir noch drüberstehen.
Kritik und emotionale Erpressung
Doch dann, mit der Geburt des ersten Kindes, und nachdem die Nerven durchs Elternsein ohnehin schon blank lagen, hatten wir einfach keine Energie mehr, die ständigen kleinen Angriffe abzuwehren. Und weil ich bei meinem Mann schon alles falsch gemacht hatte, war es nun beim Baby umso schlimmer.
Auch als das zweite Kind kam, arbeitete ich nach wie vor weiter und versuchte, mit meinen wenigen Ressourcen alles irgendwie im Griff zu haben, was – wie jedes Elternteil bestätigen kann – alles andere als einfach ist. Trotzdem wurde mein Haushalt von meiner Schwiergermutter abgewertet und andere Teile unseres Lebens kritisiert. Laufend.
Nie kam was Gutes, Konstruktives, Wertschätzendes oder Wohlwollendes.
Diese Kritik an mir wurde immer nur an meinen Mann herangetragen. Er hat dies nicht geduldet und so folgten beleidigte Trotzphasen von ihr mit emotionaler Erpressung und monatelangem Kontaktabbruch. Es war eine schlimme Zeit. Und dies in einer Phase, in der wir eigentlich in Ruhe unser kleines Familienglück geniessen wollten.
Umerziehung meiner Schwiegermutter
Trotzdem wollten wir sie nicht aus unserem Leben verbannen, weil sie ein wichtiger Teil des Lebens von meinem Mann, und nun auch der Kinder, war und ist. Auch haben wir die Ursachen für ihr Verhalten erkannt, die weit in ihre Kindheit zurückreichen.
Was uns gerettet hat und uns immer noch rettet, ist der ungebrochene Standpunkt meines Mannes. Trotz den unzähligen Kontaktabbrüchen ihrerseits, den ständigen Intrigen und Schimpfereien ist er standhaft geblieben. Und hat es tatsächlich geschafft, sie mit der Zeit «umzuerziehen»».
Was half, war eine klare Botschaft: Bis hierher und nicht weiter!
Sie war also gezwungen, unsere Entscheidungen zu akzeptieren und uns unser Leben so leben zu lassen, wie wir es wollen. Es war ein jahrelanger Prozess. Mittlerweile habe ich sogar diese lustige und auch warme Seite meiner Schwiegermutter wieder kennengelernt. Ich kann auch sagen, dass ich sie schätze – für das, wie sie meinen Mann grossgezogen hat und wie liebevoll sie mit unseren Kindern umgeht.
Die alten Situationen
Aufgrund ihrer unbändigen Liebe zu unseren Kindern habe ich die Vergangenheit ruhen lassen und es nie wieder thematisiert. Als unausgesprochenen Neubeginn sozusagen.
Obwohl wir es jetzt alle miteinander recht harmonisch haben und ich keinen Groll mehr gegen sie hege, benötige ich nach wie vor persönliche Aufarbeitung dieser vergangenen, schwierigen Zeit. Viele Sätze hallen auch noch jetzt in mir nach. Ich ertappe mich dabei, wie ich innerlich zusammenzucke, wenn mir Situationen von damals in den Sinn kommen.
Deshalb suche ich den Austausch mit anderen Schwiegertöchtern, die Ähnliches erlebt haben. Als Beweis, dass mir das wirklich passiert ist und ich in meiner Person doch nicht voll daneben liege. Denn am meisten hat es an meinem Selbstwert gerüttelt. Und es braucht noch viel Zeit, bis dieser wieder voll da ist.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 3. Februar 2023 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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