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Mal ehrlich: Andrea Jansen trifft Devi S.

Die Mutter hält in Bali die Familie zusammen. Sie betreut die Kinder, macht den Haushalt und verdient einen Grossteil des Geldes. Kindermädchen Devi S. ernährt mit ihrem Einkommen 10 Menschen. Und muss unbedingt einen Jungen gebären.

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Balinesische Taufe Frau mit roter Bluse und Baby


Devi S. lebt auf Bali, in einem Vorort der Hauptstadt Denpasar. In armen Verhältnissen aufgewachsen, hat sie sich selber Englisch und Schwimmen beigebracht – zwei Fähigkeiten, die sie als Nanny oder Babysitterin auszeichnen. So verdient sie mit fünf Franken pro Stunde verhältnismässig viel Geld und ernährt einen Haushalt von zehn Personen.

Vier Monate vor unserem Gespräch wurde Devi S. Mutter einer kleinen Tochter. Kinderzulagen und Mutterschutz kennt man in Bali nicht – und trotzdem findet Devi, dass ihre Work-Life-Balance stimmt. Dank Karma.

Mal ehrlich: Was bedeutet Mutter sein in Bali?

Alles. Jede Frau in Bali sollte mindestens eins, idealerweise vier Kinder gebären. Um sicherzugehen, dass das auch funktioniert, wird ein Paar vor der Heirat schwanger. Erst, wenn der Beweis der Fruchtbarkeit erbracht ist, kann geheiratet werden.

Der Junge muss zu seinen Eltern schauen, wenn sie alt sind. Er muss die Zeremonien führen, den Tempel hüten. Jede Familie will einen Jungen. Ein Mädchen….ist nichts.

Frau macht Selfie mit Kindern
Devi hat uns als Nanny unterstützt. (Bild: Raphael Hug)
Balinesiches Haus zwei Frauen die sprechen
Taufe der Tochter vor Devis Haus mit einem grossen Innenhof, wo die ganze Verwandtschaft und Nachbarn wohnen. (Bild: Raphael Hug)

Die meisten Familien machen so lange weiter, bis der ersehnte männliche Nachwuchs da ist. Traditionellerweise hat man in Bali vier Kinder, die auch immer dieselben Vornamen tragen: Wayan, Made, Nyoman, Ketut. Ergänzt wird das mit Spitznamen – so zum Beispiel auch bei Devi, die eigentlich Ketut heisst.

Die Männer verdienen Geld – aber nicht wirklich.

Der Druck, das Geld nach Hause zu bringen, lastet in den meisten Fällen auf den Frauen.

Darum sind balinesische Frauen starke Frauen: Wir kümmern uns um die Kinder, den Haushalt, und wir bringen das Geld nach Hause. Es gibt viel zu tun.

Die vielen Zeremonien und täglichen Opfergaben in der balinesisch-hinduistischen Religion verursachen massive Kosten für die Familien. Für Hochzeiten und vor allem Trauerfeiern verschulden sich viele, weil sie nicht das Gesicht verlieren wollen. Auch die täglichen Ausgaben für Opfergaben sind hoch: Bananenblätter, Blumen, kleine Süssigkeiten oder sogar Zigaretten werden jeden Tag vor den Haustempel gelegt. Balis Strassen sind voll von vertrockneten Körbchen, Plastikzettelchen und Kaugummis.

Karma – was wir säen, kommt auch zurück

Wie alle Balinesinnen glaubt auch Devi an Karma, den ewigen Kreislauf. Was ihr zustösst, hat seinen Grund; für ihre guten Taten wird sie irgendwann belohnt. Auch wenn sie grosse Verantwortung trägt – sie schaut zu ihren Schwiegereltern, zu ihrer eigenen Familie und bringt den Grossteil des Einkommens nach Hause – einen negativen Druck spürt sie nicht.

Ich bin glücklich, auch wenn wir nicht immer genügend Geld haben. Der Mensch strebt ja immer nach mehr – es geht auch mit weniger.

Betende Frau in Bali
Religion: zentral im Alltag. (Bild: Raphael Hug)

Der verlorene Diamant oder ein Kind, das nicht sein durfte

Mitten im Gespräch, nach einer vermeintlich harmlosen Frage, bricht Devi plötzlich in Tränen aus. Vor einigen Jahren, erzählt sie, habe sie ihr Liebstes, ihren Diamanten, aufgeben müssen. Unfreiwillig. Es ging ihr so schlecht, sie dachte an Suizid.

Es stellt sich heraus, dass sie schwanger war. Der Kindsvater, der sie schlecht behandelte und sogar gewalttätig wurde, verliess sie. Ein Kind – ein Sohn!- ohne Vater ist in der balinesischen Gesellschaft aber undenkbar. Eine alleinerziehende Frau trägt ein Stigma, sie wird nie mehr einen Mann finden, der die Familie spirituell führt und die Zeremonien leitet.

Die Eltern von Devi wollten die verzweifelte Tochter nicht unterstützen, fürchteten um ihre, aber auch um ihre eigene Zukunft ohne Schwiegersohn. Devi gab ihr Baby unter Zwang zur Adoption frei. Der dreijährige Junge lebt heute im Nachbarort, und Devi sieht ihn regelmässig auf Instagram.

Die junge Frau ist heute stolze Mutter und glücklich in ihrer Familie; das Loch, dass dieser Verlust in ihr Herz gerissen hat, geht aber nicht weg. Nach Australien wollte sie fliehen, in der Hoffnung auf eine liberalere Gesellschaft – leider wurde ihr Visum nicht bewilligt.

Sie bleibt, und lebt ein Leben in strengen Normen und Erwartungen auf der Familieninsel Bali. Karma, sagt sie:

Ich habe meinen Sohn zur Welt gebracht, aber er war nicht dazu bestimmt, bei mir zu bleiben.

Bali meets Switzerland
Treffen der Kulturen. (Bild: Raphael Hug)
Balinesische Taufe Frau mit roter Bluse und Baby
Optimistisch, trotz tragischer Geschichte: Devi, Nanny in Bali. (Bild: Raphael Hug)

Hier das Video ansehen.

Wer eine Reise nach Bali plant, und eine wunderbare Nanny braucht – hier kann Devi kontaktiert werden.

Unsere Webserie “Mal ehrlich: Andrea Jansen trifft…” wird vom Presenting Partner Swisscom unterstützt.

Kamera und Schnitt: Halsundbeinbruch.
Konzeption: Jane Doe Media GmbH.

Kafikasse_Any_Working_Mom

Autorin

Andrea Jansen hat 2016 Any Working Mom gegründet und lange als CEO geführt. Bei mal ehrlich ist sie für Strategie und Business Development verantwortlich. Sie reist gerne durch das Leben und um die Welt, versucht, weniger zu micromanagen und mehr zu schlafen. Sie ist Unternehmerin, Stiftungsrätin, Journalistin und Mutter von drei Kindern. Seit mindestens drei Jahren will sie ihre Website updaten und kommt nicht dazu – bis dahin findet man sie auf Insta als jansenontour.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 14. Juli 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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