Nein, ich sitze nicht mit Aluhut im Luftschutzkeller.
Noch nicht.
You Only Live Once…
Seit Jahren hören wir, es sei fünf vor 12. Al Gore verkündete 2007 eine unbequeme Wahrheit, und ehrlich: ich war zu bequem, um hinzuhören. Klimawandel, Tiersterben, Treibhauseffekt – die Begriffe und ihr Umfang sind dermassen weitgreifend und auch erdrückend, es war so viel einfacher, nicht hinzuhören. Und ich hatte andere Probleme – Liebeskummer, Prüfungen, 2 Kilo zu viel auf der Waage. Und sowieso: YOLO.
…and then I had kids
Mit meiner fatalistischen Weltanschauung war’s mit dem Eintritt ins Mutterdasein natürlich aus. Mein Ende soll nicht mehr kommen, wann es wolle, sondern bitte erst dann, wenn die Kinder und Grosskinder flügge sind.
Oft blende ich die grossen Fragen des Lebens – oder Sterbens, notabene – auch heute aus. Zu viel Anderes im Kopf, da bleibt keine Zeit, die Welt zu retten. Wäscheberge anstatt Eisberge, das sind die Prioritäten im Alltag.
Und dann wüten Harvey und Irma durch die Südstaaten und stellen neue Rekorde auf, in Sierra Leone und in Bondo verwüsten Schlammlawinen das Land, in Saas Grund bricht der Gletscher ab und Stephen Hawking gibt der Menschheit noch 100 Jahre.
Wait, whut? 100 Jahre?!
Hundert Jahre. Die Lebenserwartung von Babies, die heute in der ersten Welt geboren werden. Also meine Babies, die Generation Alpha. Und die Generationen darauf. Das Ende der Welt ist plötzlich nicht mehr so fern, sondern ein Szenario, das meine Kinder sogar noch miterleben müssten. Auch wenn Stephen Hawking mit seinen Berechnungen hoffentlich provozieren will, und das der Worst Case wäre, ist seit 5 vor 12 schon wieder viel Zeit vergangen.
Eine Reihe von Beiträgen hat mich in den letzten Wochen aus der Lethargie gerissen. Da war zum einen der Artikel “The Uninhabitable Earth” aus der New York Times, der aufzeigt, ab welcher Temperatur der menschliche Körper anfängt zu kochen. Viel fehlt nicht mehr.
Der Film “Racing Extinction”, der in Undercover-Aktionen aufdeckt, welche Folgen das Aussterben von Tierarten haben kann, und was wir mit dem Betreiben von grossen Rinderfarmen eigentlich anrichten. Und zu diesem Thema auch folgender Artikel, der ausrechnet, was geschähe, wenn plötzlich alle US-Amerikaner anstatt Fleisch Bohnen essen würden: “If everyone ate Beans instead of Beef “(The Atlantic).
Ich, Scheinheilige.
Das alles ist, ja, deprimierend. Man ist versucht, wieder auszublenden, denn so lässt es sich einfacher leben. Wir recyceln, kaufen lokal, verwenden Bienenwachstücher und Metalltrinkhalme, nehmen ÖV wenn es geht, benutzen Biowindeln und Fleisch gibt’s immer seltener – all die kleinen, relativ unaufwändigen Dinge, die im Alltag Platz haben, wenn man sie sich denn leisten kann. Die einem das Gefühl geben, etwas zu tun.
Und trotzdem sind wir scheinheilig. Denn wer es wirklich durchziehen will, wer seinen eigenen CO2-Ausstoss reduzieren will, darf nicht mehr fliegen. Und keine Kinder mehr kriegen. Zwei Punkte, in denen ich mir bisher kein Sternchen ins Heft kleben darf. Auch wenn wir jeden Flug konsequent CO2-kompensieren.
Ein Brief an die nächste Generation bringt alle vorherigen Gedanken auf den Punkt, erschienen ist er in der Süddeutschen Zeitung: “Urlaub war uns wichtiger als eure Zukunft, sorry”. Ich möchte meinen Kindern die Welt zeigen, auch, damit sie sie verstehen lernen und vielleicht verändern können.
Wie ich diesen Wunsch mit einer nachhaltigen Lebensweise vereinen kann – ich habe die Lösung ehrlicherweise noch nicht gefunden. Ich bleibe dran.
Hoffnung
Dass wir das Steuer vielleicht doch noch einmal herumreissen können, zeigen ebenfalls zwei aktuelle Dokumentarfilme – einerseits TOMORROW, der Lösungen aufzeigt und auch Al Gore ist zurück – leider nicht als aktueller Präsident der USA (just imagine!) – sondern mit einer Fortsetzung seiner unbequemen Wahrheiten: “An Inconvenient Sequel – Truth to Power”.
Ich verspreche, diesmal besser zuzuhören. Für die Generation Alpha und alle Generationen, die noch kommen.
Full Disclosure: Dieser Beitrag wurde durch 2017 – Kampagne “schütze die Welt, in die unsere Kinder geboren werden” des WWF Schweiz angeregt.
Ebenfalls bei der Blogparade mitgemacht haben folgende BloggerInnen:
- “Wie wir unseren Planeten schützen, jeden Tag” Nathalie von wireltern.ch
- “Der Natur auf der Spur” Eliane von Mint & Malve
- “10 Ideen, wie auch ihr die Umwelt schützen könnt” Deborah und Jérome von mamarocks.ch
- “Nachhaltige Spartipps für Küche & Haushalt” Moana von Miss Broccoli
- “Papa ist ein Umweltsünder” Nils für den Mamablog
- Kinder und Umwelt: Sieben Spielideen für den Wald mit Kindern Chez Mama Poule
Tess Lu
Sehr gutes Thema! Beschäftigt mich gleichermassen. Wir tun all das was du schreibst und vor gut einem Monat habe ich noch einen Bericht zu unserem Waschverhalten gelesen und fühlte mich völlig ertappt. Quintessenz: wir waschen zu viel. Klar, Babysachen müssen vielleicht häufiger in die Maschine aber vieles andere könnte ruhig häufiger getragen werden.
Zudem stiess ich über einen Fakt, der mir bisher gar nicht bewusst war, obwohl er ja auf der Hand liegt: wie Plastikteile von Mikrofaserkleidern ins Wasser und somit in unsere Gewässer etc. gelangen. Daran hatte ich bis dato nie gedacht.
http://www.plasticpollutioncoalition.org/pft/2017/3/2/15-ways-to-stop-microfiber-pollution-now
https://theconversation.com/the-dirt-on-clothes-why-washing-less-is-more-sustainable-11531
Zudem was völlig “ungesund” ist, ist der Hype nach supergesundem Essen wie Chia, Avocado… und andere Superfoods. Riesige Monokulturen auf Böden irgendwo in Südamerika, die dem nicht gewachsen sind. Mein Avocadokonsum hat sich drastisch verringert, obwohl ich es eine tolle Frucht finde.
http://www.zeit.de/2016/43/avocado-superfood-anbau-oekologie-trend
Andrea
Liebe Tess, vielen Dank – ja, davon wusste ich auch vieles nicht, von dem her danke für die Hinweise und Links! Und die Wäsche lasse ich in dem Fall heute Abend auch liegen.
Céline
schön, dass euch die Umwelt am Herzen liegt. Da Hinweise erwünscht waren:
nächsten Freitag findet in 18 Städten in der Schweiz ein spannendes Umweltfilmfestival statt, welches ich mitorganisiere. Letztes Jahr war racing extinction der Hauptfilm, dieses Jahr gehts im Hauptfilm um Korallensterben, dafür zeigen wir einen Film über Bruno Manser und Regenwaldabholzung, um 12 und 16 Uhr gibts weitere Vorstellungen. Morgens und nachmittags ist Schulkino.
Hier der Link dazu: https://www.facebook.com/events/658446944356875/